Wenn der Osten ruft

Es sind oft erfolgreiche, junge Leute, die vor Jahren den Osten verlassen haben und in den alten Bundesländern oder im Ausland beruflich durchgestartet sind. Jetzt zieht es sie wieder zurück. Warum nur? Mittlerweile halten sich Ab- und Zuwanderung sogar die Waage. "Eine Bewährungsprobe für uns alle" Barbara und ihr Mann Florian sind ein Paradebeispiel für diese Sehnsucht nach der alten Heimat. Nach dem Abitur in Sachsen-Anhalt studiert er in Weimar und avanciert in Zürich zum anerkannten Architekten. Barbara studiert nach dem Ost-Abi in Lyon und Weimar, bringt es innerhalb kürzester Zeit zur Dozentin an den Unis in Freiburg/Breisgau und Tübingen. "Bei allem Erfolg war unser gemeinsamer Traum, unsere Kinder in der Heimat aufwachsen zu lassen, nie verblasst." Vier Jahre nach der Geburt der ersten Tochter erfüllen sie sich den Traum. Sie kaufen ein 300 Jahre altes Pfarrhaus an der Havel und renovieren es ohne fremde Hilfe historisch gerecht. Das wächst sich zu einem Fulltime-Job mit viel Ärger, Frust und Überraschungen aus. Langsam arbeitende Behörden sowie fehlende und schlecht ausgebildete Handwerker bringen sie manchmal fast zur Verzweiflung. Zwischenzeitlich wollten sie mehrfach aufgeben und in ihr altes, komfortables Leben in Zürich zurück. Doch Barbara und Florian halten durch. "Heimat, das riecht man, hört man, sieht man in der Landschaft und in den Städten - auch wenn sie nicht so aufgehübscht sind wie im Westen", ringt Barbara um eine Erklärung. Außerdem ist dem Paar wichtig, dass ihre Kinder viel Kontakt mit den Großeltern haben, die ganz in der Nähe wohnen und eine echte Hilfe sind. Das Projekt ist eine Bewährungsprobe. Verlangen nach Heimat So ähnlich sieht es auch der Betriebswirtschaftler Martin. Als sich seine Eltern nach der Wende wegen der Arbeit in den prosperierenden Südwesten Deutschlands abmachen, bleibt er noch zwei Jahre bei Oma und Opa im Harz, bis er sein Abitur in der Tasche hat. Dann zieht er den Eltern hinterher in den Schwarzwald, ins "Schlaraffenland der Medizintechnik". Nach dem Studium avanciert Martin, der fließend Spanisch, Portugiesisch, Englisch und Französisch spricht, rasch zum Vertriebsleiter in einem führenden Unternehmen für Medizintechnik für die Märkte in Frankreich, Spanien, Portugal und Lateinamerika. Damit verbunden sind längere Aufenthalte in Brasilien und Frankreich als leitender Manager. Eine Bilderbuchkarriere. Doch gemeinsam mit seiner Frau beschließt Martin, wieder in den heimatlichen Harz zurückzugehen. "Das Verlangen nach Heimat ist kaum zu erklären", sagt er, "das kribbelt im Bauch, das spürt man einfach." Martin bekommt problemlos eine Stelle als Vertriebsleiter in einem chemischen Industrieunternehmen, seine Frau will noch warten und für eine Übergangszeit im Westen bleiben. Dass dann doch nicht alles so glatt läuft in der neuen, alten Heimat - damit hat er nicht gerechnet. Engagement für die Gemeinde Mit Haut und Haaren hat sich Karla von Anfang an in das Rückkehrer-Abenteuer gestürzt. Die Juristin mit Studium in halb Europa hat sich in den Gemeinderat ihres Heimatdorfes in der Lausitz wählen lassen, leitet Kinder- und Jugendsportabteilungen, setzt sich für das Freibad ein und gründet ein Start-up für ökologische Windeln. Inzwischen hat sie gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Haus am Dorfrand renoviert und jede Menge Zukunftsprojekte. Der Bürgermeister schwärmt: "Karla ist ein Juwel für uns." Rückkehrer in Deutschland Nach Jahrzehnten des Weggangs kippte vor zwei Jahren der Trend: Es zogen erstmals mehr Menschen von West- nach Ostdeutschland. Das liegt sicher auch an der verbesserten Arbeitsmarktsituation. Arbeitskräfte werden in Ostdeutschland mittlerweile dringend benötigt. Zum größten Teil geht es beim Rückzug auch um die Nutzung sozialer Netze innerhalb der Familie. Weitere Gründe sind die in Ballungszentren steigenden Immobilienpreise, die Pflege der Eltern oder ein Immobilienerbe als Gründe für eine Rückkehr. Bei den Rückkehrern handelt es sich überwiegend um junge Familien, für die auch die Verbundenheit zur Heimat eine wichtige Rolle spielt. Mehr Sterbefälle als Geburten Eine Untersuchung des Statistischen Bundesamts zeigt, dass das Phänomen nicht nur im Osten, sondern genauso ausgeprägt im Westen auftritt. Bundesweiter Rückkehr-Spitzenreiter ist Thüringen. Dass viele Regionen auf Rückkehrer setzen, liegt auch an der demographischen Entwicklung in Ostdeutschland. Dort gab es in den vergangenen Jahren weniger Geburten als Sterbefälle. Die Zuzüge konnten dieses Geburtendefizit in der Regel nicht ausgleichen. (Quelle: destatis)


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Herkunft: ZDF-Mediathek
Sender: ZDF
Depublizierung: 15.06.2023 23:40Uhr
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