Vergissmeinnicht

Jerzy Popieluszko, Märtyrer

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Das 20. Jahrhundert ist reich an Ereignissen, die Europa nachhaltig prägten. Die Reihe widmet sich jenen Menschen, die - wenn auch manchmal nur für kurze Zeit - zu Mitgestaltern der europäischen Geschichte wurden, später aber in Vergessenheit gerieten. Jede Folge schildert eines dieser besonderen Schicksale und setzt es in den jeweiligen historischen und gesellschaftspolitischen Zusammenhang.
Heute: Jerzy Popieluszko - auf dem beschwerlichen Weg zur Demokratie war der Tod eines einfachen Priesters in einer Arbeitergemeinde in Warschau, der es gewagt hatte, dem kommunistischen Regime zu trotzen, ein entscheidender Wendepunkt.


Auf dem Land, im traditionellen und katholischen Polen findet Jerzy - mit richtigem Namen Alfons - Popieluszko zum Glauben. Am 14. September 1947 kommt er in Okopy zur Welt und wächst unter schwierigen Bedingungen auf. Er besucht das Priesterseminar in Warschau und erhält 1972 schließlich die Priesterweihe. Damit geht sein größter Traum in Erfüllung. Nach der Machtergreifung der Kommunisten begann 1947/48 die Sowjetisierung Polens. Die Machthaber lassen Oppositionelle einsperren und exekutieren, auch die Kirche ist ihnen ein Dorn im Auge. Das polnische Volk beginnt sich gegen die grausame Unterdrückung aufzulehnen.

An einem Sonntag im August 1980 wendet sich Pfarrer Popieluszkos Leben. Die Arbeiter eines Warschauer Stahlwerks hatten wochenlang gestreikt. Sie hatten sich dem von Danzig ausgehenden Protest und der neu gegründeten Gewerkschaft Solidarnosc angeschlossen. Bevor sie ihren Streik beenden, wollten sie auf dem Werksgelände einen Gottesdienst feiern. Kein Warschauer Priester sagte zu, außer Popieluszko. In den Fürbitten betete er: "Segne, Herr, die Solidarnosc. Segne, Herr, Dein treues Volk." Danach hielt er jeden Monat eine Predigt "für das Vaterland". 10.000 Gläubige hörten ihm zu. Er wurde zu einer der Symbolfiguren des Widerstands.

Die Machthaber sehen in dem mutigen Prediger eine Bedrohung und beschließen, ihn ein für alle mal zum Verstummen zu bringen. Am 19. Oktober 1984 hält der 37-jährige Pfarrer Popieluszko in der Kirche von Bydgoszcz seine letzte Predigt. Nach der Messe wird er entführt und gefoltert. Elf Tage später wird seine verstümmelte Leiche aus dem Weichsel-Stausee geborgen.

Die Nachricht von seinem grausamen Tod verbreitet sich rasch. Mehr als eine halbe Million Menschen kommen zu seiner Beisetzung. Ein ganzes Volk trauert, vereint um den Sarg seines Helden, seines Märtyrers. Die Menschenmenge demonstriert eine ungeheure Kraft gegen das Regime, und dieses wird schließlich zum Einlenken gezwungen. Im Sommer 1989 bekommt Polen als erstes kommunistisches Land eine demokratisch gewählte Regierung. Auf dem beschwerlichen Weg zur Demokratie war der Tod eines einfachen Priesters in einer Arbeitergemeinde in Warschau, der es gewagt hatte, dem kommunistischen Regime zu trotzen, ein entscheidender Wendepunkt. An historischen Wendepunkten waren häufig Menschen beteiligt, deren eigenes Schicksal dadurch eine bestimmte Richtung nahm, die später jedoch schnell in Vergessenheit gerieten. Das Englische hat für solche Helden, deren Taten nie besungen wurden, den Begriff "Unsung Heroes". Die Reihe schildert 20 solcher Schicksale und stellt die damit verbundenen Ereignisse in einen gesamteuropäischen Zusammenhang. Mit umfangreichem historischem Archivmaterial, aktuellen Aufnahmen an Originalschauplätzen und zahlreichen O-Tönen vermittelt die Reihe bewegte Momente der Geschichte hautnah.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Samstag, den 06.01.2018 um 17:30 Uhr auf arte.