Vermächtnis der Steppenkrieger

Rätselhafte Spiralspuren im Ural

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Mitten in der weiten Steppenlandschaft des Urals, dem Gebirgszug zwischen Europa und Asien, fanden Wissenschaftler Spuren einer bronzezeitlichen Hochkultur: Sie zeugen von mehr als 4000 Jahre alten Siedlungen. Besonders spektatulär ist ihr spiralförmiger Aufbau - wie bei der Stadt Arkaim. Wissenschaftler fanden bisher an mehr als 20 weiteren Orten Siedlungsspuren. An Stellen wie Arkaim und Olgino sind sie bereits touristisch erschlossen und ziehen jährlich immer mehr Menschen an. Sie werden Wissenschaftler noch Jahre beschäftigen. Denn noch ist unbekannt, warum die Uralkrieger ihre Städte verließen und im Nichts verschwanden.


Wenn man auf einer Weltkarte mit dem Zeigefinger den Ural von Nord nach Süd hinunterfährt, gelangt man zur Millionenstadt Jekaterinburg. Von hier aus sind es noch mehrere hundert Kilometer weiter südlich, bis man kurz vor der kasachischen Grenze auf den Ort Arkaim stößt. Mitten in dieser Steppenlandschaft fanden Wissenschaftler 1987 rätselhafte Strukturen. Nach Überschwemmungen überflogen sie das Areal, um Luftaufnahmen für ein Wasserstauprojekt zu schießen. Darauf ließen sich Hügel und Wasserläufe erkennen - und immer wieder spiral- und kreisförmige Gebilde. Sie waren auf einem Gebiet von 250 Kilometern Durchmesser verstreut.
Die Interpretationen gingen zunächst in alle Richtungen. Auch an die Spuren Außerirdischer dachte man. Schließlich lieferten Funde des Archäologen Gennadij Zdanovich den Beweis: Die gesamte Anlage ist eine in sich geschlossene Konstruktion, die Reste einer bronzezeitlichen Siedlung - Arkaim. Sie wurde von ihren Bewohnern aus bisher unbekannten Gründen verlassen und vollständig niedergebrannt.

Interessant ist der Aufbau: Das 20.000 Quadratmeter große Arkaim bestand aus zwei ineinander gezeichneten Ringen. Sie stellten eine Verteidigungsmauer dar. Es gab zwei Ringstraßen und an der Innenseite der Ringmauern fanden sich 20 Meter lange, einstöckige Häuser, die um den geometrischen Mittelpunkt, einem ellipsenförmigen Platz lagen. Jedes Haus verfügte über eine Feuerstelle und eine eigene Wasserversorgung mit einem Abflusskanal - eine Sensation in der Steppe.

Die Bewohner hatten den gesamten Komplex nach Gesetzen der Astronomie und Kosmologie erbaut. Deshalb stellte der Forscher Zdanovich die These auf, dass Arkaim den Bewohnern als Himmelsobservatorium und Tempelstadt diente. Esoteriker und Heilsuchende meinen gar, an diesem Ort kosmische Energien zu spüren. Sie und russische Wissenschaflter sprechen vom "Nabel der Welt", der hier liege - das "russische Stonehenge". Auch die russischen Präsidenten Putin und Medvedev waren schon hier.

Aus globalgeschichtlicher Sicht ist Arkaim bedeutend. Mit einem Alter von fast 4000 Jahren ist sie die älteste Stadt nördlich des Kaukasus. Sie liefert damit einen Hinweis auf eine viel frühere Verbreitung menschlicher Zivilisationen als zuvor angenommen, eine Besiedlung schon im Bronzezeitalter. Vermutlich hatte sich hier ein prähistorisches Reitervolk aus den Steppen Eurasiens niedergelassen. Genaue Hinweise auf ihre Herkunft und auf ihren Namen fehlen.
Die Bewohner der Stadt griffen damals massiv in den Lebensraum ein. Sie betrieben Viehzucht und Ackerbau - mitten in der westsibirischen Steppe. Das zeigen Bodenproben und der Befund von Pollen, die sich im feuchten Milieu über Jahrtausende erhalten haben.

In ihren Festungen verarbeiteten die Uralkrieger außerdem Kupfer. Das zeigen Funde von Schlacken und Kupfergegenständen in der benachbarten versunkenen Stadt Olgino. Auch dieser Ort wurde aus der Luft entdeckt. Die Handwerker verarbeiteten den Bodenschatz zu Waffen, Sicheln, Beile, Pfeil- und Lanzenspitzen sowie Streitäxten. Kupfer war der Stoff der Bronzezeit, erklärt der Frankfurter Prähistoriker Rüdiger Krause. Der Erzreichtum in dieser Gegend war seiner Meinung nach ein Grund für die befestigten Siedlungen in dieser ungewöhnlichen Konzentration in der Steppe.

Ein weiterer Fund scheint die Initialzündung für die Gründung der Steppen-Städte gewesen zu sein: Gold. Das extrem selten vorkommende, strahlende Edelmetall war der edelste Werkstoff in der Bronzezeit. Gold spielte eine besondere Rolle in der Vorstellungswelt, da seine goldene Farbe an die Sonne erinnerte. Hinter diesem Bodenschatz rankte sich eine Mythologie. Artefakte aus Gold waren außerdem Prestigeobjekte. Das wertvolle Handelsgut machte die Steppenkrieger anscheinend sehr reich, meint Rüdiger Krause. Grund genug, sich mit wehrhaften Mauern zu schützen.

In Olgino stießen Wissenschaftler auch auf einen Streitwagen - der bislang älteste der Welt. Er war die Grabbeigabe eines Kriegers. Ein gutes halbes Jahrtausend bevor sie im Alten Ägypten aufkamen, jagten die Steppenkrieger mit ihm durch Sibirien. Der Streitwagen ist ein Hinweis darauf, dass sich die Erfindung vom Ural aus, von Olgino und Arkaim, in die bekannten Weltgegenden der bronzezeitlichen Hochkultur verbreitet hatte - nach Vorderasien und Griechenland, bis nach Mykene.

Wissenschaftler fanden bisher an mehr als 20 weiteren Orten Siedlungsspuren - solide Wehranlagen, Häuser und Straßen. An Stellen wie Arkaim und Olgino sind sie bereits touristisch erschlossen und ziehen jährlich immer mehr Menschen an. Sie werden Wissenschaftler noch Jahre beschäftigen. Denn noch ist unbekannt, warum die Uralkrieger ihre Städte verließen und im Nichts verschwanden.
Film von Gisela Graichen und Peter Prestel

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 29.01.2019 um 05:15 Uhr auf PHOENIX.

29.01.2019
05:15
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Audio-Beschreibung: nein
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Schlagwörter:Geschichte, Dokumentation/Reportage, Wissenschaft/Forschung, Russland
Alternative Ausstrahlungstermine:
29.01.2019 05:15 Uhr PHOENIX
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