Der Kraftakt

Film von André Keil und Benjamin Unger

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Sexueller und psychischer Missbrauch, Wachstumshormone, Dopingversuche an minderjährigen Sportlern - nahezu 30 Jahre nach dem Fall der Mauer kommen immer noch erschreckende Praktiken aus dem DDR-Leistungssport ans Tageslicht. Intensive Recherchen zeichnen ein wesentlich schlimmeres Bild des politisch motivierten Sports, als bislang bekannt. Viele ehemalige Sportler leiden heute neben den physischen Spätfolgen des Dopings an Depressionen und anderen schweren psychische Erkrankungen.


"Das Schlimmste ist, dass ich damals wie heute kein selbstbestimmtes Leben habe." Das sagt Dörte Thümmler, die vor gut 30 Jahren für die DDR-Weltmeisterin am Stufenbarren wurde. Eigentlich wollte sie damals gar keinen Leistungssport machen, aber sie kam als Ausnahmetalent aus dem System nicht heraus. Heute ist sie schwer geschädigt, physisch wie psychisch. Sie ist ein anerkanntes Dopingopfer und lebt von einer kleinen Rente.

Dörte Thümmler ist mit dieser Situation nicht allein. Dieser Dokumentarfilm begleitet vier ehemalige Spitzenturnerinnen und Sportgymnastinnen, denen es ähnlich ergangen ist. Den Rahmen für den Film bildet ein Wiedersehen in einer kleinen Küche. Dort versuchen sie, zunächst zögerlich, Worte für das zu finden, was ihre Kindheit war. Und für das, was der DDR-Leistungssport aus und mit ihnen gemacht hat.

Es ist ein Kraftakt. Dabei geht es nicht nur um Gewalterfahrungen, sondern auch um den Verlust von Kindheit. "Eigentlich wollten wir doch Höhlen bauen", sagt Dörte Thümmler und ihr Gesicht spiegelt den Moment, in dem sie selbst die Wucht des Satzes begreift. Es sind die leisen Aussagen, die das System Leistungssport nicht nur in der ehemaligen DDR infrage stellen. An einer anderen Stelle führt eine schlichte Frage etwa zu einem absurd anmutenden Moment der Stille. Sie lautet: Habt ihr eigentlich mal Weihnachtsplätzchen gebacken?

André Keil und Benjamin Unger ist ein Kammerspiel von hoher Aktualität und Intensität gelungen. Denn die Gewalt an jungen Sportlerinnen und Sportlern wird erst jetzt durch weltweite Recherchen thematisiert. Viele Betroffene können erst nach Jahrzehnten darüber sprechen, denn sie sind schwer traumatisiert. Die Protagonistinnen Susann Scheller, Manuela Renk, Esther Nicklas und Dörte Thümmler stehen stellvertretend für sehr viele Sportgeschädigte in Deutschland.

Die Autoren recherchieren schon einige Jahre zu den Spätfolgen des politisch motivierten Leistungssports. Die intensiven Interviews mit den schwer geschädigten ehemaligen Sportlerinnen brachte auch sie an emotionale Grenzen. Die Dreharbeiten dauerten über ein Jahr. Auch weil die Protagonistinnen immer wieder Kraft brauchten, um Worte dafür zu finden, was ihre Kindheit war. Unsere Geschichte

Die Sendung wird ausgestrahlt am Montag, den 14.01.2019 um 20:15 Uhr auf tagesschau24.

14.01.2019
20:15
Livestream
Audio-Format:stereo
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Farbe:farbe
Audio-Beschreibung: nein
Hörhilfe: ja
HDTV: nein
Logo-Event: nein
VPS:1547493300
Schlagwörter:Dokumentation/Reportage, Menschen im Alltag, DDR, Gesundheit/Medizin, Psychologie, Rückblick, Doping
Alternative Ausstrahlungstermine:
07.10.2019 01:30 Uhr HR
10.04.2019 00:00 Uhr NDR
10.04.2019 00:00 Uhr Radio Bremen TV
14.01.2019 20:15 Uhr tagesschau24