DOK - Profit oder Leben? - Wenn das Gesundheitswesen an die Grenze geht

Der 38-jährige Familienvater Michael Monstein leidet an einer seltenen Form von Lymphdrüsenkrebs. Chemotherapien haben versagt, seine letzte Hoffnung liegt in der Gentherapie Kymriah, die letzten Herbst zugelassen wurde: Dem Patienten werden Immunzellen entnommen, bei Novartis in den USA gentechnisch zu Krebskillerzellen umprogrammiert und dem Patienten als Infusion zurückgegeben. Die Krankenkassen sind nicht bereit, die von Novartis geforderten 370'000 Franken zu bezahlen. Sie klagen über mangelnde Transparenz, ein systemisches Problem: Einerseits halten die Pharmafirmen ihre Entwicklungs- und Herstellungskosten geheim, andererseits sind die Anforderungen der Behörden an die Datenlage bei Medikamenten für seltene Erkrankungen klein. Die Studienresultate von Kymriah reichen nur über 18 Monate: Bei 40 Prozent kehrt der Krebs in dieser Zeit nicht zurück, ob Kymriah langfristig nützt, weiss niemand. Kymriah wurde nicht in den Labors des Schweizer Pharmakonzerns erfunden, sondern an einer US-Universität. Die Geschichte der Krebskillerzellen steht damit beispielhaft für die Pharmaindustrie, die über die Hälfte der neuen Medikamente einkauft. "DOK" ist es gelungen, ein Interview mit dem 65-jährigen Erfinder von Kymriah zu führen: Als Immunologe Carl June vor fast 30 Jahren mit seiner Forschung begann, interessierte sich kein Pharmakonzern dafür. "Ohne 20 Millionen an Steuergeldern und Spenden von Philanthropen hätten wir Kymriah nicht entwickeln können", sagt June. Novartis rief erst 2012 an, als die Erfolgsgeschichte eines leukämiekranken Mädchens um die Welt ging, dessen Krebs dank Kymriah verschwand. Durch einen Kooperationsvertrag mit der Universität konnte sich Novartis das weltweite Patent für Kymriah sichern. Der ehemalige Pharmamanager und Krebspatient Paul Kleutghen hat ein Preismodell für Kymriah erstellt und sagt, ein fairer Preis wäre 200'000 Dollar oder weniger, wenn die Patientenzahl steigt. Errechnet hat er den fairen Preis auf Basis des durchschnittlichen Gewinns und der durchschnittlichen Forschungskosten von Novartis. Der Europaverantwortliche für Gentherapien von Novartis weist das Modell als fehlerhaft zurück. Die seiner Meinung nach richtigen Zahlen aber will Emanuele Ostuni nicht nennen; Geschäftsgeheimnis. In der Pharmaindustrie hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Wurden hohe Medikamentenpreise früher mit den Forschungskosten begründet, so argumentiert die Branche heute mit dem Wert eines Medikaments. Das Gesundheitswesen sei kein Luxusmarkt, warnen Kritiker und verweisen auf die Rationierung in England, wo ein gewonnenes Lebensjahr nicht mehr als rund 64'000 Franken kosten darf. Wie viel ist ein Menschenleben wert? Novartis-Manager Emanuele Ostuni preist wertbasierte Preismodelle, auf die konkrete Frage aber weiss er keine Antwort. Die Familie von Michael Monstein hat es derweil geschafft, eine halbe Million für seine Therapie zu sammeln. Nun wartet er auf die Krebskillerzellen aus den USA. Kann Kymriah helfen?

Quelle: Presseportal

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 27.06.2019 um 20:05 Uhr auf Schweiz 1.