Das Erbe der Treuhand (1/2)

Aufbruch und Ausverkauf

Die Treuhand wird bis heute für das Trauma der Wendezeit verantwortlich gemacht. Der anfängliche Freudentaumel war schnell verflogen: Jobverluste, Firmenpleiten und das Veröden ganzer Landstriche prägen das Nachwende-Empfinden im Osten bis heute.
Viele Ostdeutsche fühlen sich auch Jahrzehnte später noch entwertet, abgewickelt und ausgeplündert. Noch heute sind 33 Prozent von ihnen der Meinung, dass vor allem der Westen von der Wiedervereinigung profitiert hat.
War die Treuhand wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Oder hat sie den Transformationsprozess zur Marktwirtschaft im Großen und Ganzen gut bewerkstelligt?


Die Treuhand wird bis heute für das Trauma der Wendezeit verantwortlich gemacht. Der anfängliche Freudentaumel war schnell verflogen: Jobverluste, Firmenpleiten und das Veröden ganzer Landstriche prägen das Nachwende-Empfinden im Osten bis heute. Hat die Treuhand versagt, oder war die schmerzhafte Abwicklung der DDR-Wirtschaft unvermeidlich?

"Uns wurde gesagt, dass unser Betrieb von der Treuhand übernommen wird und dass es sicher eine Möglichkeit gibt, wie der Betrieb weiterexistieren kann", erinnert sich Antonia Kalich. Alle waren überzeugt: Das schaffen wir. Doch dann erwischte es ihren Betrieb, VEB Elektroporzellan in Großdubrau, gleich am Anfang. Eine Sanierung sei aussichtslos, da das Werk fehldimensioniert und der Umsatz rückgängig sei, so die Bewertung der Treuhand. Die Mitarbeiter wurden entlassen. Selbst der technische Direktor, damals 51 Jahre alt, hat - wie so viele - nie mehr eine Stelle bekommen. Bis heute merkt er das an seiner kleinen Rente.

So wie ihm ist es vielen ergangen. Auch Familie Heissig wurde von den Veränderungen überrollt. Vater Werner hatte vor der Wende in Eisenach den Wartburg mit gebaut. Das ganze Leben war mit dem Betrieb verbunden - mit der Treuhand kam das Aus.

Ein Eindruck, der sich bis heute bei vielen festgesetzt hat. Laut einer Umfrage von "ZDFzeit" sind fast 80 Prozent der Ostdeutschen der Meinung, dass sich die Treuhand nicht bemüht hat, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Sie steht für das gnadenlose West-System, dem eine ostdeutsche Biografie nichts gilt, das sich im schlimmsten Fall gar mit kriminellen Methoden DDR-Vermögen unter den Nagel reißt. So wie bei der Firma Dampfkesselbau Hohenthurm bei Halle. Sie geriet in den Besitz eines Betrügers, der die Firma ausnahm und in den Ruin trieb. Auch mehrere Treuhand-Mitarbeiter waren involviert.

Fälle wie dieser prägen ein katastrophales Bild der Institution, die eine beispiellose Aufgabe stemmen musste: Ein ganzes Land sollte innerhalb kürzester Zeit von Plan- auf Marktwirtschaft umgestellt werden. Mehr oder weniger über Nacht wurde die Treuhand aus dem Boden gestampft. Ihre Ausstattung war anfangs so dürftig, dass die Behörde nur eingeschränkt arbeitsfähig war. Trotzdem musste sie schon in den ersten Jahren 8500 Großbetriebe privatisieren, sanieren oder abwickeln.

Viele Ostdeutsche fühlen sich auch Jahrzehnte später noch entwertet, abgewickelt und ausgeplündert. Noch heute sind 33 Prozent von ihnen der Meinung, dass vor allem der Westen von der Wiedervereinigung profitiert hat. Das weiß vor allem die AfD für sich zu nutzen und inszeniert sich im Osten als Gegenentwurf zu den westlichen "Altparteien", der das "ungerechte Erbe" zu beseitigen versucht.

War die Treuhand wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Oder hat sie den Transformationsprozess zur Marktwirtschaft im Großen und Ganzen gut bewerkstelligt? Film von Heike Nelsen und Florian Hartung

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 21.11.2019 um 20:15 Uhr auf phoenix.

21.11.2019
20:15
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Schlagwörter:Dokumentation/Reportage, Geschichte, DDR, Deutschland, Wirtschaft
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