Das Fukushima-Drama - Tsunami, Störfall, Langzeitfolgen

45min, Deutschland 2021
Quelle: Pressebild (zdfPresse)
Quelle: Pressebild (zdfPresse)

Noch vor den Olympischen Spielen hat Japan die Verwüstungen des Jahrtausend-Erdbebens und -Tsunamis beseitigt. Reporter gehen der Frage nach, wie es um die Folgen des Reaktorunfalls steht.

Das Team macht sich ein Bild von der Lage auf dem zerstörten Kraftwerksgelände und trifft Menschen, die in die ehemalige Sperrzone zurückgekehrt sind. Japans erklärtes Ziel, so viel Land wie möglich wieder bewohnbar zu machen, ist nur mit gigantischem Aufwand möglich.

Auch der Ort Namie, sieben Kilometer vom Reaktor entfernt, wurde dekontaminiert. Ein Teil der ehemaligen Bewohner ist wieder zurückgekehrt – jedoch fast ausschließlich die ältere Generation. Die Familie Konno ist mit ihren drei Generationen eine große Ausnahme. Mutter Mayumi Konno musste während des Erdbebens nicht nur sich selbst in Sicherheit bringen, sondern hatte auch noch einen Säugling auf den Bauch gebunden und die dreijährige Tochter auf den Rücken geschnallt. Einen Notvorrat an Windeln warf sie noch aus dem Fenster, bevor sie nach draußen flüchtete.

Großvater Eishige Konno ist Landwirt und war 2011 als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr dafür zuständig, die Menschen vor dem Tsunami zu warnen. Doch im Chaos des Erdbebens war das eine schier unlösbare Aufgabe. In Namie riss die Flutwelle 180 Menschen in den Tod. Japan musste insgesamt über 22 000 Todesopfer beklagen. Und nach dem Tsunami kam der GAU: eine Kernschmelze, eine Wasserstoffexplosion und immer mehr Strahlung, die freigesetzt wurde. Namie musste vollständig evakuiert werden. Niemand ahnte damals, dass es ein Abschied für Jahre war. Die Familie Konno flüchtete in eine Nachbarstadt und wurde dort in einer Turnhalle untergebracht. Besonders für die demente Urgroßmutter der Konnos war das ein traumatisches Erlebnis.

Die junge Familie Konno wanderte über mehrere Zwischenetappen nach Thailand aus. Die ältere Generation aber blieb in Japan und durfte nach einiger Zeit zumindest besuchsweise wieder auf ihren Hof.

Mit Spannung verfolgten sie die Fortschritte des großen Dekontaminationsprojektes für die Präfektur Fukushima. Bis heute zeugen davon unzählige schwarze Säcke: gefüllt mit kontaminierten Blättern, Erde und anderen radioaktiven Materialien – insgesamt 14 Millionen Kubikmeter. Eine Fläche von 9000 Quadratkilometern wurde nach und nach dekontaminiert. Auch der Hof der Konnos kam an die Reihe: Dächer und Mauern wurden abgewaschen, im Garten und auf den Feldern wurden die oberen fünf Zentimeter Boden abgetragen und in Säcke verfüllt. Die alten Leute kehrten danach wieder zurück und begannen mit Landwirtschaft zu Testzwecken. Verkaufen durften sie anfangs noch nichts.

2019 kehrte dann auch die junge Familie Konno zurück – doch Namie ist heute nicht mehr das, was es vor der Katastrophe war: Die jüngste Tochter Eriko geht auf eine Grundschule mit insgesamt 24 Kindern. In Ihrer Klasse sind sie zu fünft. Spielen im Wald ist tabu, denn Wälder lassen sich nicht dekontaminieren. Mutter Mayumi macht sich Sorgen, dass ihre Kinder zu isoliert aufwachsen, und denkt darüber nach, wieder wegzuziehen.

Auch im Kraftwerkskomplex Fukushima Daiichi wurden gewaltige Anstrengungen unternommen. Das Reporterteam stößt hier nicht mehr auf die Ruinen von 2011, sondern betritt eine Industrieanlage, auf der Tag für Tag 4000 Arbeiter beschäftigt sind. Derzeit stehen zwei Probleme im Vordergrund: das Wasser und die Kernschmelze.

In den letzten zehn Jahren hat sich die unglaubliche Menge von über einer Million Kubikmeter radioaktiv belasteten Wassers angesammelt. Weit über 1000 riesige Tanks sind überall auf dem Gelände verteilt; und der Platz wird knapp. Der Plan, das Wasser teilweise zu dekontaminieren und danach ins Meer abzulassen, ist umstritten.

Das schier unlösbare Problem ist jedoch die Kernschmelze: geschmolzene Brennelemente aus den Reaktoren, eine Lava, die irgendwie in die Tiefe gelaufen und dann wieder erstarrt ist. Vom Bergen dieser hoch radioaktiven Schmelze inmitten von Trümmern der Wasserstoffexplosion ist der Betreiber TEPCO noch sehr weit entfernt. Bis jetzt ist noch nicht einmal bekannt, wo genau sich dieses hoch radioaktive Material befindet. Eine Erkundung durch Menschen ist ausgeschlossen, denn die Strahlung ist so hoch, dass sie selbst den Computerchips in Robotern zu schaffen macht.

Fukushima wirft auch weitergehende Fragen auf: Ist Atomkraft grundsätzlich zu riskant? Soll gerade das erdbebengefährdete Japan daran festhalten? Um das Land bis 2050 klimaneutral zu machen, plant Ministerpräsident Yoshihide Suga sogar einen weiteren Ausbau der Atomkraft.

Ganz unterschiedliche Zeitzeugen schildern ihre Lehren aus der nuklearen Katastrophe: Naoto Kan, der zur Zeit des Unglücks Ministerpräsident war. Kernphysiker Yoichi Tao, der als Kind Augenzeuge der Atombombe von Hiroshima wurde und mit seiner Familie als Unterstützer ins ehemalige Sperrgebiet von Fukushima gezogen ist. Makoto Sugioka, Shintu-Priester und Kernphysiker, der im Oktober 2020 in Itate (nördliche Region des Sperrgebiets) zum Bürgermeister gewählt wurde. Azby Brown, Hochschullehrer und ehrenamtlicher Mitarbeiter bei Safecast – einem Bürger-Wissenschaftsprojekt, dem es gelungen ist, die detaillierteste radioaktive Belastungskarte Japans zu erstellen.

Autor und Regisseur Reinhart Brüning macht deutlich, dass es für dieses Projekt ganz besondere Herausforderungen gab. Um überhaupt nach Japan einreisen zu dürfen, musste das Team von ZDFinfo vorweg zwei Wochen in Quarantäne. Es ging aber nicht nur um Corona, sondern auch um Strahlung: Auf dem Kraftwerksgelände war volle Schutzausrüstung Pflicht. Besonders für Kameramann Sven Döffinger war es eine Herausforderung, so zu drehen. Strahlenschutztechnisch beraten und mit Dosimetern versorgt wurde das Team vom Forschungszentrum Jülich.

Quelle: Presseportal

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 04.03.2021 um 20:15 Uhr auf ZDFinfo.

04.03.2021
20:15
Art:Dokumentation
Kategorie:Gesellschaft
Themenbereich:Politik Ausland