Ein Jahr auf Kihnu in Estland

Leben zwischen Leichtigkeit und Schwermut

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Vor der estnischen Küste kämpft eine winzige Insel gegen die Zeit: Eine Frau im rot gestreiften Rock knattert auf einem alten Moped mit Seitenwagen vorüber. "Wenn du einen Rock wie diesen siehst, dann bist du auf Kihnu", sagt sie. Auf der kleinen Insel in der Rigaer Bucht leben 400 Esten nach alten Regeln und Traditionen. Die Frauen tragen Röcke in verschiedenen Farben für verschieden Umstände in ihrem Leben, man kann also immer erkennen, ob eine Frau gerade keine Sorgen hat oder in Trauer ist.
Das Leben auf Kihnu wurde geprägt durch Abgeschiedenheit und die Abwesenheit der Ehemänner. Diese sind Seeleute oder Fischer und mehr auf dem Wasser als an Land tätig. Die Frauen sind zuständig für Haushalt, Ernte, familiäre Angelegenheiten. So konnte ein kulturelles System entstehen, das von Frauen bestimmt wird. Die hiesigen Traditionen haben jahrhundertelang überlebt und stehen unter dem UNESCO-Schutz für immaterielles Kulturerbe.
Mare ist 41 Jahre alt, Mutter von vier Kindern und auf Kihnu aufgewachsen. Sie hat ein paar Gästezimmer und versucht damit den Balanceakt zwischen Tradition und Moderne bei gleichzeitiger Öffnung für den Tourismus. Ihr Ehemann Olavi arbeitet auf einem Frachtschiff. Tochter Anni spielt die traditionellen Inselinstrumente Akkordeon und Geige. Sie wird mit rotem Rock und Kopftuch groß und lernt die hiesigen Volkstänze in der Schule. Anni will auch in Zukunft auf Kihnu leben und möchte deswegen einen Jungen von der Insel heiraten. Mare betreut die UNESCO-Stiftung auf Kihnu und möchte die alten Höfe erhalten.
Regisseurin Julia Finkernagel hat auf Kihnu das Ringen von Jung und Alt um den Erhalt ihrer kulturellen Identität und deren Vereinbarkeit mit modernen Entwicklungen im Laufe eines Jahres beobachtet.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Freitag, den 26.02.2021 um 07:05 Uhr auf arte.