Der Weiße Blick

Expressionismus und Kolonialismus

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Als die deutschen Expressionisten Emil Nolde und Max Pechstein um 1910 zum damaligen Deutsch-Neuguinea und zu den Palau-Inseln reisten, war ihr vermeintliches "Südsee-Paradies" bereits durch den europäischen Kolonialismus zerstört. Ernst-Ludwig Kirchner blieb zu Hause, baute sich im Atelier die Südseeexotik als Ambiente nach. Sie wollten die Malerei in Deutschland revolutionieren und sich dafür an der Ursprünglichkeit der indigenen Kunst schulen.
Nolde und Pechstein, die von ihren Ehefrauen begleitet wurden, blendeten vor Ort den Untergang der fremden Welt aus. Sie malten so, wie sie es in ihren Köpfen als "weißen Blick" von daheim mitgebracht hatten: romantisch verbrämt, idyllisch verfälscht und außerdem nah am rassenkundlichen Menschenbild der Zeit.Ihre Südsee-Sehnsucht hatten Nolde, Kirchner und Pechstein durch Besuche in den Völkerkundlichen Museen in Berlin und Dresden genährt, wo sie ersten Kontakt mit der Kunst fremder Kulturen hatten. Der Franzose Paul Gauguin war ein Vorbild, wie mit Bildern über das vermeintlich "Wilde" und "Primitive" auf dem Kunstmarkt Aufmerksamkeit und Erfolg zu erzielen war.
Die Malreisen von Nolde und Pechstein waren durch Schulden finanziert. Für beide endete das Südsee-Abenteuer in einem Fiasko. 1914 brach der Erste Weltkrieg aus, Emil Nolde konnte Deutsch-Neuguinea gerade noch verlassen, verlor unterwegs viele seiner Bilder. Max Pechstein geriet in japanische Gefangenschaft und musste nach dem Krieg neu beginnen. Mit vielen erstmals gezeigten Fotos von den Südseereisen zeichnet der Film die Geschichte einer künstlerischen "Ausbeutung" nach.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Mittwoch, den 07.09.2022 um 00:00 Uhr auf NDR.