Herr Wichmann aus der dritten Reihe

Eigentlich will er es bloß jedem Recht machen. Henryk Wichmann ist CDU-Oppositionsabgeordneter im Brandenburger Landtag. Ständig ist er auf Achse, um den Bürgern seines Wahlkreises das Leben zu erleichtern. Ob es sich um Schreiadler handelt oder um Bildungspolitik – Wichmann hört zu und versucht, den Stein ins Rollen zu bringen. Der Dokumentarfilm begleitet den Politiker ein Jahr lang und eröffnet eine Perspektive, welche den Nachrichtenmedien verborgen bleibt. Zudem sorgt er für eine gute Unterhaltung.

"Politiker entfernen sich doch immer mehr vom wirklichen Leben" oder "Ob rot-gelb, grün-kariert – Die uns regierenden Politiker regieren wie ein Hühnerhaufen!" – gegen solche Vorwürfe muss sich der 33-jährige Landtagesabgeordnete ständig verteidigen. Seine Verteidigungstrategie besteht aus zuhören, nicken und seiner Versicherung, die Probleme mithilfe von Absprachen mit den "richtigen Leuten", Kompromissen und dem Gesetz lösen zu wollen. Wichmanns Arbeit findet an allen erdenklichen Orten statt, sei es im Moor, in seinen zwei Bürgerbüros, in der Grundschule, in der Landtags-Kantine oder beim Erdbeerbecher in der Eisdiele. Fünf Stunden täglich fährt der Landtagsabgeordnete mit dem Auto, um den Menschen in der Region Uckermark die Hände zu schütteln.

Wie absurd und skurril diese Probleme sind, sorgt für Gelächter. Seit Jahren sorgt ein sogenannter Schreiadler in einer Gemeinde für Diskussion. Das Tier nistet an einer Schnellstraße, an welche ein Fahrradweg angegliedert werden soll. Wichmann sieht nicht ein, dass der 8-jährige Baustopp für den Fahrradweg weiterhin besteht und spricht mit den Beteiligten: Wird sich das Tier wirklich durch die Radler gestört fühlen? Sollte man den Weg teeren lassen? Es geht hin- und her, "Das ist ein Ping-Pong-Spiel. Nicht mit mir!", kommentiert Wichmann in seiner komischen, verdatterten, aber sympathischen Art. Das Land Brandenburg ist arm – ein bisschen Tourismus könnte da nicht schaden. "Natur- und Tierschutz ist wichtig. Aber manchmal muss man abwägen", spricht der Politiker überzeugt. Tatsächlich kommt es später zu einem Kompromiss: Der Radweg wird gebaut.

Nicht immer sind seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt. Wichmann sitzt in der Opposition und – so wie in der Demokratie verankert – geht nichts ohne Abstimmung im Plenarsaal. Im Film mögen die Abstimmungs-Szenen bei manchen für Enttäuschung sorgen. Die Abgeordneten sitzen teilnahmslos oder geistig abwesend im Saal. Der Dokumentarfilm erklärt den Grund dafür, indem er Szenen zeigt, wo die Meinungen gebildet werden: Bei Konferenzen im kleinen Kreis oder in persönlichen Gesprächen in der Kantine – Szenen, bei denen die Presse für gewöhnlich nicht präsent ist.

Zehn Jahre ist es her, dass der Regisseur Andreas Dresen Henryk Wichmann einen Monat lang während seines Wahlkampfs in der stabilen SPD-Hochburg begleitete. Für den zweiten Dokumentarfilm hat der Filmemacher den CDU-Politiker ein Jahr lang an insgesamt 30 Drehtagen begleitet.

Bei der Filmpremiere in Hamburg erzählte der Filmemacher mehr über die Entstehung des Films. Die Entscheidung, einen CDU-Politiker zu begleiten, traf er ganz bewusst, "um Abstand und Neutralität zu wahren". Zu einem zweiten Film kam es aufgrund der guten Zusammenarbeit der beiden und wegen Wichmanns neuer beruflichen Perspektive. Über "Herr Wichmann aus der dritten Reihe" sagte Dresen: "Schwierig war das große Themenspektrum und dass sich manche Probleme klärten, ohne dass ich mit der Kamera dabei war."

Über 100 Stunden Filmmaterial sammelte der erfahrene Spielfilm-Regisseur für seine Produktion an. Unterstützung erhielt er vom Medienboard Berlin-Brandenburg, dem RBB und dem deutschen Filmförderfond. Die Berlinale zeigte den Film im "Panorama Fenster". Auf dem Filmkunstfest in Schwerin gewann "Herr Wichmann aus der dritten Reihe" den Publikumspreis.