Im Traum kann ich wieder laufen

Wie viel Unabhängigkeit kann sich Nikolas zurückerobern? Wie stark ist sein Rückenmark beschädigt? "37°" begleitet den ehemaligen Leistungssportler ein Jahr lang dabei, wie er darum kämpft, seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen Ein Unfall, der alles verändert Am letzten Schultag vor den Ferien unterläuft Nikolas am Reck in der Schulturnhalle ein Fehlgriff, der sein Leben innerhalb einer Sekunde grundlegend verändert. "Ich war im Stütz und wollte einen Rückwärtssalto-Abgang machen. Hab zu früh losgelassen, nehme ich jetzt an. Dann war erst mal alles weg", erinnert sich Nikolas. "Das erlebt man wie in Trance, diese Zeit", sagt Nikolas' Mutter Nadja. "Wir wollen Nikolas ein Familiengefühl geben und ihn unterstützen, so gut es geht." Sie lässt sich von ihrem Arbeitgeber beurlauben und bezieht ein Apartment in der Klinik. Nikolas' Vater Karsten arbeitet von nun an Vollzeit im Homeoffice, kümmert sich um den elfjährigen Sohn Konstantin und den Haushalt. Am Wochenende tauschen die Eltern. "Unser Leben hat sich drastisch verändert seit dem Unfall." Nikolas Eltern Es gibt Hoffnung In den ersten drei Wochen ist Nikolas vom Hals abwärts vollkommen bewegungsunfähig. Doch dann ein Lichtblick: Bei Untersuchungen stellen die Ärzte fest, dass bei ihm eine inkomplette Lähmung vorliegt. Die Nervenbahnen in seinem Rückenmark sind nicht vollständig durchtrennt und können noch manche Impulse zwischen Gehirn und Körper übermitteln. Und tatsächlich: Nikolas lernt allmählich, wieder zu greifen, aufrecht im Rollstuhl zu sitzen und ihn selbst anzuschieben. Bald gelingt es ihm, kurz zu stehen. Dr. Andreas Hug, Oberarzt im Querschnittzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg macht Nikolas Mut: "Die meisten Fortschritte machen die Patienten in den ersten sechs Monaten nach Eintritt der Lähmung. Ich würde die Hoffnung nicht aufgeben, dass noch mehr möglich ist." Das spornt Nikolas an: "Ich möchte hier aus der Klinik herauslaufen und ein möglichst normales Leben führen können." Unermüdlich kämpft er nun jeden Tag dafür. Mit der Motivation, die er schon als Sportler an den Tag legte, trainiert er in täglicher Ergo- und Physiotherapie. Gehbewegungen übt der 17-Jährige mit einem Therapie-Roboter. Wird Nikolas sein großes Ziel erreichen, oder macht er keine weiteren Fortschritte? Inzwischen lässt die Familie ihr Haus barrierefrei umbauen. Wann kann Nikolas die Klinik verlassen, und wie wird er daheim zurechtkommen? Der "37°"-Film begleitet Nikolas und seine Familie durch eine Zeit voller Bangen und Hoffen, Erfolge und Ernüchterung. 37 Grad-Autorin Carina Schulz über ihren Film Der magische Moment Welch ein magischer Moment! Als ich Nikolas zum dritten Mal in der Klinik besuchte, hatte er ein Strahlen im Gesicht und konnte kaum abwarten, seine neuen Fortschritte zu zeigen. Drei Wochen lag unser letzter Besuch zurück, und da hatte Nikolas kaum Kontrolle über seine Beine. Jetzt stützte er sich bei seinen Therapeutinnen ab, stand aus dem Rollstuhl auf und setzte einen Fuß vor den anderen. Das Kamerateam und ich mussten uns zügeln, um nicht begeistert zu jubeln.  Beinahe hätten wir in der Aufnahme den Ton versaut. Schon als ich Nikolas das erste Mal traf – acht Wochen nach seinem Unfall  – strahlte er eine  Zuversicht aus, die ich erstaunlich fand. Damals konnte er mit Mühe aufrecht sitzen und war doch fest entschlossen: „Ich will wieder laufen!“  Diese Willenskraft hatte sicher großen Anteil an seiner positiven Entwicklung. Entscheidend sind aber natürlich auch die modernen Therapiemöglichkeiten, mit denen Querschnittpatienten maximal gefördert werden.  Vor ein paar Jahrzehnten wären Nikolas‘ Aussichten sehr viel schlechter gewesen. Dennoch ist seine Entwicklung außergewöhnlich.  Die allermeisten anderen Patienten, die ich im Heidelberger Querschnittzentrum gesehen habe, können nicht darauf hoffen. Ihre Nervenbahnen im Rückenmark sind durch Unfälle oder Krankheiten zu stark geschädigt. Der Durchhänger Geduldig hat Nikolas mich immer wieder teilhaben lassen an wichtigen Situationen in dem Jahr nach seinem Unfall. Doch kurz vor Ende der Drehzeit gab’s einen Durchhänger. Nikolas hatte keine Lust mehr: „Wie lange machen wir noch weiter - ich hab dir doch schon alles erzählt?“, fragte er genervt – und ich konnte ihn gut verstehen. Wie anstrengend und aufreibend muss es sein, ein Kamerateam in einer derart intensiven Zeit so dicht ran zu lassen, Schwäche zu zeigen, obwohl man als Leistungssportler gewohnt ist stark zu sein? Wir haben zwei Monate mit den Dreharbeiten pausiert, und auf den nächsten Dreh schien Nikolas sich dann doch wieder zu freuen – vielleicht, weil es der letzte war ;-) Ich bin ihm und seiner Familie sehr dankbar für das große Vertrauen, das sie mir entgegengebracht haben. Ihre Offenheit, ihre positive Energie und ihr Zusammenhalt haben mich tief beeindruckt!


Dieser Film wurde leider am 22.06.2023 um 23:55Uhr depubliziert!
Herkunft: ZDF-Mediathek
Sender: ZDF
Depublizierung: 22.06.2023 23:55Uhr
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