Kriegskinder (2/4)

Mit den Bomben kam die Angst

Die vierteilige Dokumentation "Kriegskinder" geht dem Schicksal einer ganzen Generation auf den Grund, die bislang kaum über ihre Erlebnisse gesprochen hat. Im Mittelpunkt der Filme stehen ausschließlich die Kriegskinder selbst, also jene, die aus eigenem Erleben darüber erzählen können, was mit und in ihnen geschah. Keine Draufsicht, sondern Innensicht, keine Analyse, sondern Erleben, keine Häppchen-Zitate, sondern Zuhören.


Mit den Bomben kommt die Angst. "Oft haben wir die ganze Nacht im Keller verbracht, ohne Bettchen, ohne Schlaf. Und wenn dann die Erwachsenen anfingen zu beten oder zu schreien …" Wolfgang Pickert ist damals 11 und erlebt die Bombennächte in Berlin.

"Ich kann bis heute nicht grillen. Ich habe niemals einen Grillabend mitgemacht. Da kommt dieser Geruch hoch - von verbranntem Holz und Fleisch. So hat das damals in Köln gerochen..." Der siebenjährige Walter Zierold aus Köln wird nach seinen ersten Erlebnissen aufs Land verschickt, um ihn wie Millionen andere deutsche Kinder vor dem Bombenhagel in deutschen Großstädten in Sicherheit zu bringen. Ganz allein, ohne zu wissen, wohin die Reise geht. Ohne zu wissen, wie lange sie dauern wird. Bis zum Kriegsende wird er von Ort zu Ort verschickt, trifft seine Mutter nur für wenige Tage. Doch der Bombenterror und die Sorge um ihre großen Söhne an der Front haben sie verrückt gemacht.

Viele Kinder versuchen auf ihre ganz eigene Art mit den schrecklichen Ereignissen umzugehen. Sie spielen "Fliegeralarm" mit der Puppenstube und sammeln die größten Granatsplitter, lernen die Namen "heldenhafter deutscher Piloten" auswendig und kassieren in der Schule gute Noten für besonders überzeugende Aufsätze über den heroischen Kampf der Wehrmacht gegen die Bolschewiken im Osten.

In der Sowjetunion wird der weltanschauliche Vernichtungskrieg grausamer geführt als je zuvor. Deportationen, Hunger, Angst, Tod. Im Oktober 1941 beginnt die Belagerung Leningrads, die über 900 Tage dauern wird. Unbeschreibliches Elend, unter dem besonders auch die Kinder zu leiden haben. Die erst 12-jährige Tamara Gratschewa wird zur Bergung von Leichen eingesetzt: "Einmal kam ich in eine Wohnung und da lag eine tote Mutter, auf der ihr Kind kroch und weinend 'Mama' schrie." Die vierteilige Dokumentation "Kriegskinder" geht dem Schicksal einer ganzen Generation auf den Grund, die bislang kaum über ihre Erlebnisse gesprochen hat. Im Mittelpunkt der Filme stehen ausschließlich die Kriegskinder selbst, also jene, die aus eigenem Erleben darüber erzählen können, was mit und in ihnen geschah. Keine Draufsicht, sondern Innensicht, keine Analyse, sondern Erleben, keine Häppchen-Zitate, sondern Zuhören.

Erzählerisch und optisch wird diese "Geschichte von unten" unterstützt durch die Verwendung von Familienfotos der Zeitzeugen sowie unverbrauchten Bildern aus privaten Archiven, durch Kinderzeichnungen aus der frühen Kriegszeit und Tagebuchauszüge der Volkssturmjugend, und durch verhalten eingesetzte, aufwendig gedrehte kindliche Stimmungsbilder.

Ganz bewusst beschränkt sich die Reihe nicht ausschließlich auf das Schicksal der 15 Millionen deutschen Kinder, sondern geht auch den Geschichten der Jüngsten in den überfallenden und besetzten Ländern nach, insbesondere denen in Polen, Frankreich, England und in der Sowjetunion. Der internationale Blickwinkel ist neu und öffnet das Erzählspektrum und den Ereignishorizont auf diese ganze - europäische - Generation.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Dienstag, den 03.09.2019 um 22:05 Uhr auf MDR.

03.09.2019
22:05
Livestream
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Schlagwörter:Dokumentation/Reportage, NS-Zeit und Folgen, 1939 - Kriegsbeginn
Alternative Ausstrahlungstermine:
03.09.2019 22:05 Uhr MDR