corona nachgehakt

Wie viel Lockdown muss sein?

Alfred Schier spricht mit Prof. Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle an der Saale.


Alfred Schier spricht mit Prof. Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle an der Saale.

Epidemiologe Alexander Kekulé äußerte sich im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am 21.11.20 zu der Notwendigkeit die Corona-Maßnahmen zu verschärfen. Er kritisiere jedoch das Hin und Her bei den Maßnahmen, denn zum einen wird es immer Infektionsfälle geben, die auch nach dem Lockdown weiter bestehen - so kann es zu einem diffusen Infektionsgeschehen kommen - und zum anderen kann die Wirtschaft nicht mehr langfristig planen. Auch die Bevölkerung würde beim ständigen Wechsel der Konzepte nicht mehr die Warnungen nachvollziehen können. Der Abstimmungsprozess in westlichen Demokratien sei nach Kekulé sehr langwierig, etwa weil der Bund und die Länder mit unterschiedlichen Prioritäten in die Abstimmung gehen.

Er teilte dem RND mit, dass er flächendeckende und kontinuierliche Maßnahmen fordere. Außerdem hält er größere Kapazitäten bei den PCR-Tests und mehr Antigenschnelltests für notwendig - die Stadt könnte beim Ausbau der Kapazitäten der PCR-Tests finanziell unterstützen. Auf Nachfrage vom RND nach einem langfristigen Konzept sei seiner Meinung nach hier der Schutz von Menschen aus Risikogruppen und älteren Menschen entscheidend, um weniger schwere Krankheitsverläufe zu haben und die Sterblichkeit zu verringern. Der Staat habe die Verantwortung, dass es zu keinen Infektionen und Ansteckungen in Altenheimen, Pflegeheimen und Kliniken komme. Hierfür sollen PCR-Test für die Familienangehörigen und für das Personal eingesetzt werden sowie FFP2-Masken und Schnelltests für die Gäste. In Deutschland würde dies derzeit umgesetzt werden, jedoch nur sehr langsam. Außerdem hält er die Corona-Schnelltests für ein gutes Instrument, um den Alltag etwas normaler gestalten zu können - auch wenn für ein sicheres Ergebnis die PCR-Tests nötig wären, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass jemand mit negativen Testergebnis beim Schnelltest kein Superspreader ist.

Auch weitere Virologen, wie der Chefvirologe der Universität Heidelberg, Hans-Georg Kräusslich, äußerte sich gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung", dass die Verschärfung und Verlängerung der Corona-Maßnahmen notwendig sind. Er sagte der Zeitung, dass die Corona-Neuinfektionen nach fast drei Wochen im Teil-Lockdown noch nicht deutlich gesunken sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in der Regierungserklärung am 26.11.20 die Wichtigkeit der neu beschlossen Maßnahmen und der Verlängerung des Teil-Lockdowns. Die Bundeskanzlerin und der Kanzleramtschef Helge Braun hatten in der Beratung mit den Ländern deutlich gemacht, dass es noch mehr Maßnahmen in den Schulen geben muss, doch die Bundesländer hatten verpflichtende Auflagen abgelehnt.

Laut einer BR-Umfrage gibt es derzeit noch genügend Corona-Schutzmaterial in den Kliniken, jedoch haben Beschäftigte oft das Gefühl, schlecht geschützt zu sein, weil das Klinikpersonal nicht einheitlich auf das Corona-Virus getestet werde. Viele Kliniken haben in der BR-Umfrage gesagt, dass sie nicht genügend Pflegepersonal haben, etwa aufgrund von Quarantäne oder Krankheit. Das Robert Koch-Institut gibt die Empfehlung nur im äußersten Notfall positiv getestete Mitarbeiter mit wenig vorhandenen Symptomen bei der Pflege von nachgewiesene Covid-erkrankten Patienten einzusetzen. Einige Kliniken haben außerdem offene Pflegestellen - dies sind meistens mehr als zehn Stellen. In der Umfrage wurde zudem angegeben, dass sieben von 20 Krankenhäusern die offenen Stellen mit Hilfskräften besetzt haben.

Der Handelsverband HDE übt Kritik an den neuen Corona-Maßnahmen für Geschäfte - für Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern gilt die Regel, dass sich maximal eine Person pro 10 Quadratmeter im Geschäft aufhalten darf. In größeren Geschäften darf sich pro 20 Quadratmeter nur eine Person befinden. Der Handelsverband sehe für diese Regelung keinen richtige Begründung. Der Industrieverband BDI ist der Meinung, dass durch die neuen Regelungen die Verbraucherstimmung und die Wirtschaftsaktivität für das restliche Jahr gedämpft sein wird. Der Handwerksverband ZDH äußerte sich positiv zu den finanziellen Hilfen, die es für den verlängerten Teil-Lockdown geben soll. "Allerdings müssen dieser Ankündigung auch rasch Taten folgen", sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

Die Sendung wird ausgestrahlt am Samstag, den 28.11.2020 um 00:30 Uhr auf phoenix.