Geschehen, neu gesehen. - "Wahre Geschichte"

Papst Johannes Paul II., Freiheit ist teilbar

Quelle: ARD-Pressebild
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Am 16. Oktober 1978 wurde Johannes Paul II. als erster Nichtitaliener nach über 400 Jahren zum Papst gewählt - eine Revolution. Der neue Pontifex verfolgte zwei große Ziele: die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft wiederherzustellen und den kommunistischen Atheismus zu bekämpfen. Dieser Ideologie versetzte er bald nach seiner Inthronisation den ersten Schlag: Auf seiner Lateinamerikareise verurteilte er die marxistisch inspirierte Befreiungstheologie, kanzelte die Priester dieser Bewegung ab und stärkte ihre konservativeren Kollegen.
1979 holte er in seinem Heimatland Polen zum zweiten Schlag aus, als er dazu aufrief, keine Angst vor dem Sowjetregime zu haben. Die Botschaft verbreitete sich wie ein Lauffeuer und löste eine beispiellose Streikwelle aus. Moskau musste die Gründung der ersten freien Gewerkschaft Solidarnosc akzeptieren. Mit kaum verhohlener Unterstützung der USA stärkte der Papst den Widerstand gegen die polnische Diktatur bis zu deren Sturz.
Doch während er in Europa die Verteidigung der Menschenrechte propagierte, stellte er sich in Lateinamerika auf die Seite antikommunistischer Diktaturen. 1982 traf er in Buenos Aires den Diktator Galtieri und ließ die Hilfsorganisationen abblitzen, die um eine Audienz gebeten hatten. In Chile verschloss er fünf Jahre später die Augen vor der blutigen Repression der Gegner von General Pinochet.
Auch bei der Lebensführung seiner Anhänger war Johannes Paul II. konservativ: Er verurteilte die Pille und Kondome und stieß mit einer Formulierung in seinem Buch "Erinnerung und Identität - Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden", die einen Vergleich von Holocaust und Abtreibung nahelegte, unter anderem beim Zentralrat der Juden in Deutschland auf Kritik.
Trotz medialer Triumphe erntete der Papst, der sich für eine Modernisierung der katholischen Kirche aussprach, tatsächlich aber die Dogmen einer anderen Zeit predigte, bei den Gläubigen Unverständnis. Von seiner Parkinson-Krankheit schwer gezeichnet, starb er 2005. Mit seiner Heiligsprechung wurden die dunklen Flecken seiner Amtszeit getilgt.
Die Geschichtsschreibung ist keine starre, exakte Wissenschaft, sondern sie unterliegt einem andauernden Prozess der Ausdifferenzierung, der Weiterentwicklung und des Hinterfragens. Mit voranschreitender Forschung decken Historiker häufig ein Bild der Realität auf, das vielschichtiger ist als die bis dato gemeinhin angenommenen Vorstellungen. Mit der Dokumentarfilm-Reihe "Wahre Geschichte" nimmt ARTE geschichtsträchtige Personen und Ereignisse in den Fokus und betrachtet diese aus einer neuen Perspektive.

Die Sendung wird ausgestrahlt am Mittwoch, den 24.02.2021 um 10:25 Uhr auf arte.