die nordstory - Ruine mit Meerblick - Prora

Alptraum oder Segen

Quelle: ARD-Pressebild
Quelle: ARD-Pressebild

Jahrzehntelang ist nichts passiert in Prora, in der von den Nazis geplanten und nie fertig gestellten Urlaubsfabrik auf der Ostseeinsel Rügen. Nach dem Krieg wurde der Bau zunächst von der Roten Armee und dann von der NVA genutzt und zu Kasernen umgebaut. Nach der Wende gammelte der größte Teil des Mammutbaus vor sich hin, genutzt von schlecht finanzierten Dokumentationszentren, einem NVA-Museum und einer Jugendherberge. Ein Ort für Festivals und künstlerische Aktionen.
Der ewige Streit zwischen einer Nutzung als Denkmal oder Urlaubsobjekt ist nun aber entschieden. Das Denkmal wurde an gut betuchte Anleger und Investoren verkauft. Eigentumswohnungen in der denkmalgeschützten Anlage erlauben großzügige Steuerabschreibungen. Block für Block entstehen Hunderte von Apartments, zum Teil mit Quadratmeterpreisen von bis zu 10.000 Euro. Eine Ferienanlage ist im Bau, ein Hotel ist schon fertig.
Zur Zeit des NS-Regimes sollten 20.000 Menschen in dem "Kraft-durch-Freude"-Monstrum Urlaub machen. Heute rechnen die neuen Investoren mit bis zu 10.000 Betten in den fünf Blöcken, die nun im neuen Glanz erstrahlen sollen. Die Ruine mit Meerblick mausert sich zu einer "weißen Stadt am Meer".
Einer, der diese Entwicklung mit viel Elan vorantreibt, ist ausgerechnet Ulrich Busch, der Sohn des DDR-Arbeiterliedersängers Ernst Busch. Er gilt als die treibende Kraft, das graubraune Kasernenantlitz in ein glänzendes "kapitalistisches" Ferienparadies verwandeln zu wollen. Was hätte sein Vater zu all dem gesagt?
Ulrich Buschs rechte Hand vor Ort ist dabei Makler und Mitgesellschafter Manfred Hartwig. Er verkauft den nicht unbedingt besonders günstigen Traum vom Eigenheim am Meer. Täglich führt er die zahllosen Interessenten durch den Rohbau und versucht mit viel Beredsamkeit, die Fantasie der potenziellen Käufer zu beflügeln. Aber ist er auch selbst überzeugt von dem, was er tut? Würde er sich hier auch ein Apartment kaufen für seinen Lebensabend?
Eine der zahlreichen Interessenten, die Makler Hartwig überzeugen konnte, ist die Krankenschwester Christine Jürgens von der Insel Rügen. Sie hat ihr Haus in Gingst verkauft und sich dafür ein Apartment in Prora gekauft. Der Traum von der Wohnung am Meer, was wird daraus, wenn ihn Tausende rechts und links von ihr auch träumen wollen, so wie in den Bettenburgen am Mittelmeer?
Eine junge Familie aus Thüringen verbringt erstmals ihnen Urlaub im noblen Fünfsternehotel von Prora. Dort sind die Strände noch leer, anders als in Göhren oder Baabe, wo sie sonst jedes Jahr hingefahren sind. Aber werden sie im kommenden Jahr auch wiederkommen? Denn nicht nur die Strände sind leer, auch die Ladenpassagen sind noch nicht bezogen, es gibt keinen Supermarkt und kein Nachtleben! Und ein Flair wie in Binz, in weiß getünchtem Beton?
Aber es gibt noch eine andere Welt in Prora. Sozial verträgliche Mietwohnungen mit Meerblick, Vorgarten und Stellplatz vor der Tür. Altersgerechtes und auch ambulant betreutes Wohnen für Senioren gehört hier zum Konzept, damit Prora im Winter nicht zur Geisterstadt wird. Wer hier seinen Lebensabend verbringt, schätzt sich glücklich?
Die fehlende Infrastruktur ist ein großes Manko in Prora. Aber es gibt eine erste Pizzeria! Die Ladenmiete ist hoch, die Kundschaft nur in der Saison vorhanden. Hält er durch, der erste Pizzabäcker von Prora? Film von Matthias Vogler

Die Sendung wird ausgestrahlt am Montag, den 08.03.2021 um 15:00 Uhr auf NDR.