70 Jahre Grundgesetz - Die beste Verfassung der Welt?

Für die Mehrheit der Deutschen scheint die Sache klar: Laut einer Umfrage im Auftrag des ZDF sagen 81 Prozent der Befragten, dass sich das Grundgesetz in den vergangenen Jahrzehnten bewährt habe. Gleichzeitig stößt das Grundgesetz immer öfter auch an Grenzen. "Sternstunde der Demokratie": Der Präsident des parlamentarischen Rates, Konrad Adenauer, bei der Unterzeichnung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 in Bonn. Quelle: ZDF/ap Das Grundgesetz war stets ein Spiegel der deutschen Geschichte. 1949 formuliert, als Konsequenz aus den Unrechts-Erfahrungen der Nazi-Diktatur, garantierte es erstmals und umfassend Bürgerrechte - und wurde in Westdeutschland zum Bürgen für politische Stabilität. Gültig sollte es allerdings nur so lange sein, bis sich das gesamte deutsche Volk "in Freiheit und Einheit" eine neue Verfassung gäbe. Doch anders als von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes beabsichtigt, gab sich Deutschland 1990 keine neue gemeinsame Verfassung. Stattdessen wachsen allmählich Zweifel daran, ob Teile des Grundgesetzes noch zukunftsfähig sind: Wie ist unsere Verfassung mit der europäischen Integration vereinbar? Wie mit der Bedrohung durch Terrorismus und der wachsenden Ablehnung von schutzsuchenden Menschen - Herausforderungen, die tragende Säulen des Grundrechtekatalogs auszuhöhlen drohen? Eine Verfassung ist nur so stark wie der Glaube der Bürger an die Grundsätze, die sie formuliert. Christian Bommarius, Jurist und Buchautor 70 Jahre Grundgesetz, ein Anlass zum Feiern oder doch eher zum Grübeln? "ZDFzeit" kümmert sich buchstäblich um Deutschlands aktuelle Verfassung. Mal augenzwinkernd, mal mit scharfem Blick. Comedian Fabian Köster, bekannt aus der ZDF-"heute-show", hört sich bei den Deutschen um: Was halten sie eigentlich von ihrer Verfassung? Ist das alte Grundgesetz überhaupt noch auf der Höhe der Zeit? Wer würde für seine Rechte auf die Straße gehen? Ist Demokratie noch die beste Staatsform? Die große ZDFzeit-Umfrage Wie denken die Deutschen über ihre Verfassung? Für ZDFzeit hat die Forschungsgruppe Wahlen eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Das Ergebnis: die große Mehrheit der Deutschen ist zwar vom Grundgesetz überzeugt, Kritik an unserer Demokratie gibt es trotzdem in einigen Punkten. Demokratiezufriedenheit 63 Prozent der Befragten geben an, mit der Demokratie in Deutschland eher zufrieden zu sein. Bei den unter 30-Jährigen sind es 70 Prozent. Etwas kritischer sind die Menschen zwischen 50 und 60 Jahren – 57 Prozent sind zwar eher zufrieden, aber immerhin 39 Prozent sind es nicht. Auch bei den 30 bis 40-Jährigen geben 38 Prozent an, eher unzufrieden zu sein. Die Ergebnisse unterscheiden sich zwischen Befragten aus dem Westen und dem Osten. Während im Westen zwei Drittel der Befragten eher zufrieden sind, sind es im Osten 47 Prozent. Für Befragte mit Hochschulreife ist die Demokratie in Deutschland eher zufriedenstellend, als für Befragte mit Hauptschulabschluss und Mittlerer Reife. Die höchste Zufriedenheitsrate angesichts politischer Orientierung liegt bei Wählern der Grünen, am unzufriedensten sind die Wähler der AfD. Bildquelle: ZDF Bewährung des Grundgesetzes Die meisten Deutschen, 81 Prozent, finden, das Grundgesetz habe sich in den letzten 70 Jahren bewährt. Nur 12 Prozent der Befragten stimmen dem nicht zu. Hier zeigt sich: je besser gebildet, desto eher haben die Befragten die Meinung, das Grundgesetz hat in den letzten Jahrzehnten seinen Zweck gut erfüllt. Jeweils 93 Prozent der Befragten mit Abitur oder einem Hochschulabschluss sind dieser Meinung, bei den Befragten mit Hauptschulabschluss sind es 77 Prozent. Ebenso antworten Menschen aus dem Westen und Osten unterschiedlich auf diese Frage. Während sich für insgesamt 84 Prozent der Menschen aus dem Westen unsere Verfassung in den letzten 70 Jahren bewährt hat, sehen das gleichzeitig im Osten nur 67 Prozent. Bildquelle: ZDF Welches Grundrecht ist den Menschen am wichtigsten? Für die Studie wurden die Teilnehmer*innen gefragt, welches der folgenden Grundrechte aus dem Grundgesetz für sie persönlich am wichtigsten ist: Gleichheit vor dem Gesetz, Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit oder Asylrecht für politisch Verfolgte. Für die meisten Befragten, 47 Prozent, ist die Meinungsfreiheit das wichtigste Grundrecht. Auf dem zweiten Platz mit 38 Prozent liegt die Gleichheit vor dem Gesetz. Für sechs Prozent ist die Glaubensfreiheit das wichtigste Grundrecht und für drei Prozent das Asylrecht für politisch Verfolgte. Bei den unter 30-Jährigen geben sogar 73 Prozent an, dass die Meinungsfreiheit für sie persönlich das wichtigste Grundrecht unserer Verfassung ist. Unter den Befragten aus dem Osten liegt die Gleichheit vor dem Gesetz mit 45 Prozent auf Platz 1 und die Meinungsfreiheit mit 35 Prozent auf Platz 2. Bildquelle: ZDF Teilnahme an einer Demonstration 56 Prozent der Befragten würden für ihr politisches Anliegen an einer Demonstration teilnehmen oder haben dies sogar schon getan. Besonders die unter 30-Jährigen sind gewillt für ihr Anliegen auf die Straße zu gehen. Nur 26 Prozent der Jüngeren würden das nicht tun. Männer sind außerdem generell eher dazu bereit zu demonstrieren, als Frauen, genauso Menschen in großen Städten im Gegensatz zu Menschen in kleineren Städten. Je gebildeter die Menschen, desto eher würden sie an politischen Demonstrationen teilnehmen.    Bildquelle: ZDF Volksabstimmungen 72 Prozent der Befragten möchten, dass in Zukunft bei wichtigen bundespolitischen Fragen mehr Entscheidungen durch Volksabstimmungen getroffen werden. Bei den unter 30-Jährigen befürworten das sogar 80 Prozent, bei den Befragten aus dem Osten 85 Prozent. Etwas skeptischer sind die 30 bis 40-Jährigen. Ein Drittel von ihnen ist dagegen, dass künftig öfter die Bevölkerung entscheiden darf. Auch unter den Befragten mit Hochschulabschluss sind 45 Prozent dagegen. Je kleiner die Ortsgröße der Befragten, desto eher stimmen die Menschen auch für mehr Entscheidungen per Volksabstimmung.   Bildquelle: ZDF Soziale (Un-)Gerechtigkeit Mehr als die Hälfte der Befragten, 56 Prozent, sind der Meinung, dass es in unserer Gesellschaft eher sozial ungerecht zugeht. Je niedriger der Bildungsgrad, desto mehr Befragte sehen soziale Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Unter den Befragten mit Hauptschulabschluss finden 61 Prozent, dass es in unserer Gesellschaft eher sozial ungerecht zugeht, während das bei den Befragten mit Hochschulabschluss 46 Prozent denken. Soziale Ungerechtigkeit empfinden außerdem vor allem Wähler der AfD und der Linken und Menschen zwischen 50 und 70 Jahren. Aber auch 54 Prozent der jüngeren Befragten unter 30 empfinden dies genauso. Bildquelle: ZDF Wo herrscht Ungerechtigkeit? Fast drei Viertel der Befragten sehen die größte Ungerechtigkeit bei Einkommen und Vermögen. Bei den unter 30-Jährigen stimmen dem sogar 88 Prozent zu. 12 Prozent aller Befragten denken, dass es zwischen Frauen und Männern am ungerechtesten zugeht. 10 Prozent sehen die größte Ungerechtigkeit zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Bei den Befragten, die aus dem Osten kommen, sind es sogar ein Drittel. Bildquelle: ZDF Umgang der Menschen miteinander 78 Prozent der Befragten denken, dass das Verhalten der Menschen bei uns in den letzten Jahren rücksichtsloser geworden ist. Für 17 Prozent hat sich kaum etwas verändert und nur vier Prozent aller Befragten haben den Eindruck, der Umgang miteinander ist rücksichtsvoller geworden. Dieser Eindruck zieht sich durch alle Altersgruppen und soziale Schichten. Die Jüngeren nehmen mit 62 Prozent etwas weniger Rücksichtslosigkeit wahr. 27 Prozent von ihnen stellen keine Veränderung fest. Bildquelle: ZDF Chancengleichheit „Nicht jeder hat in Deutschland die gleiche Chance, im Leben etwas zu erreichen“ – dieser Aussage stimmen 57 Prozent zu. Je jünger die Befragten, je größer ihre Wohnorte und je besser sie gebildet sind, desto weniger sehen sie Chancengleichheit bei uns. Insgesamt denken 42 Prozent der Befragten, dass in Deutschland jeder die gleiche Chance hat, im Leben etwas zu erreichen. Bildquelle: ZDF


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Herkunft: ZDF-Mediathek
Sender: ZDF
Depublizierung: 20.09.2020 12:15Uhr
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