die nordstory - Elbvertiefung ohne Ende

Quelle: Pressebild (ard2017)
Quelle: Pressebild (ard2017)

Seit dem 9. Februar 2017 ist es entschieden: Die Elbvertiefung kommt. Noch wird allerdings nicht gebaggert, denn der seltene Schierlings-Wasserfenchel, der nur an der Tideelbe wächst, ist immer noch nicht richtig geschützt. Und die zur Vertiefung geforderten Ausgleichsflächen reichen nicht aus. In dieser Schwebe lebt man an der Elbe seit Jahren. In keiner anderen Region in Deutschland wird so hartnäckig um eine Entscheidung gerungen, nirgendwo sonst sind die beiden Lager, Befürworter und Gegner, so weit voneinander entfernt.


Am 9. Februar 2017 hat der 7. Senat des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts entschieden: Die 9. Elbvertiefung soll kommen. Hamburg muss nur noch ein paar kleine Bestandteile seines Plans nachbessern: Der Schierlings-Wasserfenchel, eine seltene Pflanze, die nur an der Tideelbe wächst, ist immer noch nicht richtig geschützt. Und die zur Vertiefung geforderten Ausgleichsflächen reichen nicht aus. Anders gesagt: Gebaggert wird erst mal nicht. Immer noch nicht.

In dieser Schwebe lebt man an der Elbe seit Jahren. In keiner anderen Region in Deutschland wird so hartnäckig um eine Entscheidung gerungen, nirgendwo sonst sind die beiden Lager, Befürworter und Gegner, so weit voneinander entfernt.

Inge Massow-Oltermann ist Bürgermeisterin von Grünendeich, einer Elbgemeide unweit von Stade. Sie stammt aus einer Lotsenfamilie, in ihrem Geburtshaus ist schon ihr Großvater aufgewachsen, heut lebt sie dort, mit Kindern und Enkelkindern. Ein schönes schlichtes Haus, keine 50 Meter hinterm Deich, genau am Elbeknick. Genau hier ist auf der anderen Deichseite im Februar 2016 eines der größten Containerschiffe der Welt, die "CSCL-Indian Ocean", auf seinem Weg nach Hamburg aus der Fahrrinne gelaufen und im Elbschlick stecken geblieben. Seitdem hat Inge Massow endgültig die Nase voll: Sie will sich beteiligen, will wissen, was "die da in Leipzig verhandeln" - Widerstand leisten, gegen die Elbvertiefung.

Hartmut Buß ist Betriebsleiter bei "Hansaport" im Hamburger Hafen, Deutschland größtem Erz- und Kohleterminal. Die "Bulker", die großen Erzfrachter sind die schwersten Schiffe weltweit und haben eigentlich alle zuviel Tiefgang für die Elbe. Deshalb bespricht Buß schon Wochen vorher mit den Abgangshäfen, wie zum Beispiel Narvik, die maximale Ladung, prüft Tage vorher welche anderen großen Schiffe auf der Elbe zum Zeitpunkt der Reise unterwegs sind und guckt noch in der Nacht des Einlaufens stündlich auf den Wetterbericht: Bläst der stramme Ostwind nicht doch zu viel Wasser aus der Elbe? Stress ohne Ende - bevor das Schiff da ist, bevor die Arbeit überhaupt anfängt. Wenn Buß sich eins wünscht, dann endlich ein klares Bekenntnis zur Elbvertiefung.

Als Landwirt hat Jan-Peter Rüst an der Elbmündung bei Otterndorf eigentlich gar nichts mit der Elbvertiefung zu tun, aber für seine Bullenmast pachtet er wie schon sein Vater die Weideflächen im Außendeich. Dort grasen die Tiere im Sommer, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Containerriesen. Neuerdings jedoch wird die Weidefläche kleiner. Das Land bricht ins Fahrwasser ab, in die Elbe, erst recht seitdem das Land Niedersachsen vorgegeben hat, dass der Sommerdeich, der die Erosion zumindest aufhält, abgetragen werden muss. Nur die Weideflächen ohne Deich stehen nämlich als Ausgleichsflächen unter Naturschutz. Und von denen, sagen jetzt die Leipziger Richter, gibt es immer noch zu wenig.
Die Liste lässt sich beliebig verlängern: Die Traditionsreederei Hapag-Lloyd, für die es immer schwerer wird, mit ihren größten Schiffen den eigenen Stammsitz, Hamburg, anzulaufen, oder der bedeutende Fischereihafen Friedrichskoog, der im Sommer 2015 von der schleswig-holsteinischen Landesregierung endgültig geschlossen wurde, weil die Ausbaggerung der Zufahrt zu kostspielig wurde - dabei bestreitet niemand mehr, dass das mit einem ganz besonderen Schlick zusammenhängt: mit dem verklappten Baggergut aus der Elbe.

Die Elbvertiefung ist ein gordischer Knoten, so scheint es, der längst nicht mehr aufgelöst werden kann. Welche Seite hat Recht? Welche Meinung überzeugt? Gerd Lefers, Apfelbauer und Deichrichter im Alten Land, hat als Kind die Sturmflut von 1962 miterlebt. "Die Dimensionen", sagt er, "haben sich verschoben. Nicht nur die Schiffe sind immer größer geworden, auch die Bedrohung für unser Land..."

Die Sendung wird ausgestrahlt am Donnerstag, den 26.03.2020 um 14:15 Uhr auf Radio Bremen TV.