As Time Goes By In Shanghai

2013
Rezension zu As Time Goes By In Shanghai
Thomas Schneider
Dr. Kay Hoffmann
Filmpublizist und wissenschaftlicher Leiter im Haus des Dokumentarfilms

Witz und Dokumentarfilm passen nicht immer zusammen, aber in »As time goes by in Shanghai«, dem unlängst in den deutschen Kinos angelaufenen neuen Film von Uli Gaulke, passt beides wunderbar zusammen. Bei einem Hintergrundgespräch im Rahmen der Veranstaltungsreihe »DOK Premiere« gab der Regisseur spannende Hintergrundinformationen zu seinem Film preis. Fast zugleich schaffte es die Dokumentation über eine Gruppe chinesischer Jazzmusiker auch auf die Auswahlliste zum Deutschen Filmpreis.

Die Nähe zu seinen Protagonisten ist Filmemacher Uli Gaulke wichtig. Es ist sein Grundinteresse für Menschen und einfache Geschichten. Dies hat er schon seinerzeit mit seinem Abschlussfilm »Havanna, mi amor« an der HFF "Konrad Wolf" in Babelsberg bewiesen. Dafür gewann er 2001 gleich den Deutschen Filmpreis als Bester Dokumentarfilm. Es folgten Dokumentarfilme wie »Heirate mich« oder »Comrades in Dreams« über vier Kinobetreibern auf verschiedenen Kontinenten. In der Reihe »DOK Premiere« im Ludwigsburger Kino Caligari stellte er jetzt seinen jüngsten Film »As Time goes by in Shanghai« vor und diskutierte im Anschluss mit Kay Hoffmann vom HAUS DES DOKUMENTARFILMS und dem Publikum, das zahlreich erschienen war.

Auf die älteste Jazzband der Welt war er durch einen Zeitungsartikel aufmerksam geworden. Allerdings war es schwierig, sich den Jazzveteranen zu nähern, denn sie waren zunächst nicht bereit, über sich und ihre Erfahrungen zu sprechen. Jeden Tag gab es lange Diskussionen mit dem Manager, um überhaupt Dreharbeiten zu ermöglichen. Denn sie müssen jeden Abend drei Stunden im Hotel Peace spielen und der Film war für sie eine Nebensache. Die alten Herren verweigerten sich auch immer mal wieder und zunächst gab es kaum Fortschritte in der Beziehung. Erst nach der gemeinsamen Reise zum Jazzfestival in Rotterdam war das Vertrauen groß genug, um sich Uli Gaulke und seinem Kameramann Jörg Jeshel zu öffnen.

Deswegen ist der Film am Anfang und Ende dramaturgisch eingerahmt von ihren Erlebnissen in Rotterdam. Es war schon ein Stück Geduld notwendig, um dieses sehr spannende Porträt zu realisieren. Denn die Veteranen, die sich dem klassischen Jazz der 40er und 50er Jahre verschrieben haben, erzählen dann doch über ihre Jugend in Shanghai und die schwierige Phase der Kulturrevolution, als Klassik und Jazz verboten waren. Die eigentlichen Drehgenehmigungen waren nicht besonders schwierig, wobei er einige Situationen wie auf der Fähre auch ohne offizielle Erlaubnis aufnahm. So gelingt es dem Team, den Musikern auf ihrem Heimweg zu folgen. Von daher erfährt man sehr viel auch über Shanghai, der modernen Metropole und dem heutigen Alltag dort, der sich so von ihren Erinnerungen unterscheidet.

Der Film ist sehr lebendig und hat einen unglaublichen Witz, da die Bandmitglieder sehr offen sind und sich durchaus darüber im Klaren sind, dass ihre Musik nicht unbedingt originell ist, sondern eher nostalgisch klingt. Die Musikrechte an den Klassikern des Jazz waren jedoch sehr teuer. Ermöglicht wurde Uli Gaulke der Erwerb durch eine Crowdfunding-Kampagne über Kickstarter. Dabei kam die Unterstützung besonders aus Nordamerika und vor allem Kanada, wo eine solche Finanzierung üblicher ist. Seit seinem Abschlussfilm arbeitet er eng mit seinem Produzenten Helge Albers zusammen. Auch bei der Kamera gibt es eine starke Kontinuität mit Axel Schneppat; in Shanghai hat er mit Jörg Jeshel gedreht.

Uli Gaulke war im vergangenen Jahr sehr aktiv. Er war an der Mega-Produktion »24h Jerusalem« ebenso beteiligt wie als Co-Regisseur an der Musikdoku »Wacken 3 D«, über das außergewöhnliche Heavy Metal Event in der norddeutschen Provinz. Dort porträtierte er eine chinesische Heavy-Metal-Gruppe, die er demnächst auch auf ihrer Europa-Tournee begleiten will. Außerdem realisierte er für den SWR eine Dokumentation über den Abzug der amerikanischen Armee aus der Region Mannheim-Heidelberg. Dort war Jahrzehnte lang die Basis für die Logistik der Amerikaner für die Kriege in der Welt.

Mit »As Time goes by in Shanghai« hat er es wieder in die Auswahl für den Deutschen Filmpreis als Bester Dokumentarfilm geschafft.

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Kinostart:28.11.2013 in Deutschland
weitere Titel:
As Time Goes By In Shanghai
As Time Goes By in Shanghai
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Deutschland
Originalsprache:Deutsch, Hochchinesisch, Englisch
IMDB: 34
Offizielle Webseite:www.flyingmoon.com
Regie:Uli Gaulke
Kamera:Axel Schneppat
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Rezensionen:

Datenstand: 05.05.2022 18:13:57Uhr