Bulb Fiction

2011
Rezension zu Bulb Fiction
Thomas Schneider
Thomas Schneider
Online-Redakteur im Haus des Dokumentarfilms

Am 18. März 2009 fasste die EU-Kommission einen weitreichenden Beschluss: es ging um die Abschaffung der "klimaschädlichen Glühbirne". Was sich für viele Verbraucher als großes Ärgernis entpuppte - unter anderem deshalb, weil Energiesparlampen wesentlich mehr kosten - ist ein weit größeres Problem. Der österreichische Regisseur Christoph Mayr hat mit dem nun bei uns in Deutschland angelaufenen Dokumentarfilm "Bulb Fiction" dieses Thema aufgegriffen. Der schon im Herbst vorigen Jahres in Österreich eingesetzte Film will Zuschauer zu Handelnden machen.

Mayr erzählt in seinem Film das "Märchen vom Ende der Glühbirne". Doch seine Geschichte reicht viel weiter zurück als nur bis zum Jahr 2009, als das Ende der einst Anfang des 19. Jahrhunderts erfundenen Glühbirne beschlossen wurde. Zum Beispiel erzählt Mayr vom Phoebus-Kartell, einem geheimen Zusammenschluss von weltweit aktiven Herstellern von Glühlampen. Dieses später verbotene Kartell beschloss an Weihnachten 1924, die Lebenszeit von Glühlampen auf 1000 Stunden zu begrenzen. Vielfach wurde seither bewiesen, dass auch Birnen mit viel längerer Haltbarkeit herstellbar wären. Die Industrie scheint daran aber kein Interesse zu haben. Und was hat das mit dem Ende der Glühbirne zu tun? Sehr viel, beweist Regisseur Mayr, denn das Interesse der Industrie hat auch das scheinbare Finale des Vakuumglühkörpers eingeleitet.

Weitere Fakten sammelt "Bulb Fiction" zum eigentlichen Problem der Energiesparlampen: Diese enthalten Quecksilber, das nach den radioaktiven Stoffen das gefährlichste Element ist. Zerbricht eine solche Lampe, sind strenge Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um die Gesundheit der Menschen nicht zu gefährden. Solche Vorkehrungen wiederum sind den meisten Verbrauchern gar nicht bewusst - sie werden von der Industrie auch nicht explizit herausgestellt. Die Geschäfte könnten ja darunter leiden.

Letztlich ist das Thema in "Bulb Fiction" eine große Verschwörung: eine milliardenstarke Industrie hat sich gemeinsam mit EU-Politikern zusammen getan, um Kasse zu machen. Das eigentliche Argument für den Bann der Glühbirne - nämlich ihre klimaschädliche Energiebilanz - lässt der Film nicht stehen. Es hätte Alternativen gegeben, und es gibt sie auch heute. Die Industrie aber propagiert ganz andere Lösungen: Sie will LED-Lampen verkaufen, die ein Vielfaches der früheren Glühbirnen kosten. Regisseur Mayr hat auch dazu recherchiert und stellt heraus, was diesen LED-Lampen fehlt - nämlich der Infrarot-Anteil des Lichtes, der wärmt und zudem für unsere Augen wichtig ist. Ein wichtiger Aspekt, den man so noch nicht wahrgenommen hat.

Es ist ein heißes Eisen, das dieser Film immer wieder wendet. Hier wird nichts auf kleiner Flamme geköchelt - der Film emotionalisiert, die Musik packt, die Dokumente überzeugen. Der Film will etwas erreichen: uns. Das ist ganz im Sinne des deutschen Koproduzenten Daniel Zuta, der schon bei DOKVILLE 2011 von dem damals noch nicht beendeten Projekt berichtet hatte und Geschichten einforderte, die schlichtweg überzeugen. "Bulb Fiction" ist so eine Story.

Zwar hat man ähnliche Ansätze schon anderswo gesehen - zum Beispiel bei Cosima Dannoritzers Dokumentarfilm "Kaufen für die Müllhalde". Aber "Bulb Fiction" ist dank einer ausführlichen Recherche, einer überzeugenden Kombination der Fakten und dem Mut zu einer - ja, es ist erlaubt - Meinung ein wichtiger Beitrag über die Macht der Wirtschaft, der Politik und die Ohnmacht des Verbrauchers. Der Zuschauer könnte am Ende des Filmes ein Handelnder werden.

Ach, wann hat der Dokumentarfilm eigentlich diesen politischen Ansatz verloren? Einen ähnlichen Mut sah man zuletzt bei Erwin Wagenhofer "Let's make money". Oder bei "Plastic Planet" - ein Film, der übrigens auch von Daniel Zuta koproduziert wurde. Und das ist kein Zufall. Und das ist gut so!

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Kinostart:16.09.2011 in Österreich
31.05.2012 in Deutschland
weitere Titel:
Bulb Fiction
Genre:Dokumentarfilm
Herstellungsland:Österreich, Deutschland
Originalsprache:Deutsch
IMDB: 189
Offizielle Webseite:www.bulbfiction-derfilm.com
Regie:Christoph Mayr
Drehbuch:Christoph Mayr
Schnitt:Paul-Michael Sedlacek
Produzent:Thomas Bogner
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Rezensionen:

Datenstand: 07.05.2022 11:08:13Uhr